Stand der Dinge:
Der Lärm & die Spaltung
(Teil II oder: welche Spaltung?)

Stand der Dinge:
Der Lärm & die Spaltung (Teil 2 oder: welche Spaltung?)

3. Dezember 2018
von Klaus Brinkbäumer

3. Dezember 2018
von Klaus Brinkbäumer

Könnte es sein, dass nahezu alle Analysen und Leitartikel, die in den vergangenen drei Jahren über die USA geschrieben wurden, einen gedanklichen Fehler gemacht, wiederholt, verstärkt und jedenfalls nicht entdeckt haben? 

Könnte es sein, dass nahezu alle Analysen und Leitartikel, die in den vergangenen drei Jahren über die USA geschrieben wurden, einen gedanklichen Fehler gemacht, wiederholt, verstärkt und jedenfalls nicht entdeckt haben? 

Es scheint so, und das schließt mich ein: Nahezu alle, die – seit Donald Trump seine Kandidatur erklärte – über Amerika nachgedacht haben, schrieben von einem gespaltenen Land, dessen zwei Hälften nicht mehr miteinander reden könnten, weil sie sich ja gerade über die Abgrenzung definierten.

Es klang stimmig, und natürlich gab es reichlich Belege, aber vielleicht ist es trotzdem falsch.

Denn es gibt eine Studie, die etwas ganz und gar anderes aussagt. Nämlich: Die Mehrheit der Amerikaner sei noch immer pragmatisch. Und gar nicht so scharf und schroff. Sondern nur müde. Diese Mehrheit möge die ständigen Beschimpfungen, den ganzen Lärm und das Gerede von der Spaltung nicht und habe sich deshalb von der aktuellen Politik abgewandt – „the exhausted majority“. Aber diese Mehrheit sei durchaus gewillt, 2020 wieder einmal über Politik nachzudenken und moderate Kandidaten zu wählen, die dann hoffentlich das tun würden, was in Amerika „reaching across the aisle“ heißt, also: Gräben überbrücken. Damit hinterher alles wieder ein wenig normaler sei könne und auch mal wieder über Baseball statt über Trump geredet werden dürfe (siehe Link unten).

Der tatsächliche Stand der Dinge scheint also, wie meistens im Leben, komplexer zu sein als jene schlichte Geschichte von der Spaltung des Landes. Warum aber wird diese Geschichte dennoch erzählt?

1. Was die Parteien angeht, stimmt die Geschichte von der Spaltung. Die Republikaner sind weit nach rechts gerutscht und nur in ihrem Hass auf alles Liberale wirklich vereint, inzwischen auch wieder in ihrem Hass auf Migranten. Die Demokraten antworten mit Verachtung. Abgestimmt wird nach Parteilinie, verhandelt wird nicht mehr, und der Präsident versöhnt nicht, sondern verschärft dieses Klima.

2. Was die extremen Medien (Breitbart oder Fox News) angeht, stimmt die Geschichte auch. Diese Medien zündeln, und Plattformen wie Facebook haben einen Konstruktionsfehler: Hass funktioniert dort besser als analytische Ausgewogenheit, erreicht mehr Klicks, bringt mehr Geld ein.

3. Auch die moderaten Medien profitieren von der Geschichte über das gespaltene Land. Diese These sorgt für Quoten, bringt Auflage. „Democracy dies in darkness“, mit diesem Slogan wirbt die „Washington Post“.

4. Das amerikanische Wahlsystem verstärkt den Eindruck der Spaltung: Riesige Landstriche werden in den Analysen am Wahltag demokratisch blau oder republikanisch rot gefärbt. Erdrutschartige Verschiebungen wirken aggressiv, geradezu amerikanisch gewalttätig. In Wahrheit aber gilt nur die „winner takes all“-Regel, weshalb eine 51:49-Abstimmung, entschieden womöglich bloß durch wenige Wechselwähler, als 100:0 gewertet wird. Das wiederum hat mit der amerikanischen Sportkultur und der Unterhaltungssucht dieses Landes zu tun: Die USA verachten Unentschieden und Unentschlossenheit, sie lieben das Drama – im Stadion.
Aber im wahren Leben?

77 Prozent der Amerikaner glauben nicht, dass die Unterschiede unüberwindbar seien. Die erschöpfte Mehrheit müsste nun eigentlich um die Deutungshoheit kämpfen, aber sie ist halt leider erschöpft – und darum sehr viel leiser als die progressiven Aktivisten auf der linken oder die hingebungsvollen Konservativen auf der rechten Seite.

Diese wiederum werden in die Studios von CNN und Fox geladen. Und sie nutzen die Gelegenheit und pflegen jene Geschichte, durch die sie selbst berühmt und wichtig werden.

https://hiddentribes.us/

Es scheint so, und das schließt mich ein: Nahezu alle, die – seit Donald Trump seine Kandidatur erklärte – über Amerika nachgedacht haben, schrieben von einem gespaltenen Land, dessen zwei Hälften nicht mehr miteinander reden könnten, weil sie sich ja gerade über die Abgrenzung definierten.

Es klang stimmig, und natürlich gab es reichlich Belege, aber vielleicht ist es trotzdem falsch.

Denn es gibt eine Studie, die etwas ganz und gar anderes aussagt. Nämlich: Die Mehrheit der Amerikaner sei noch immer pragmatisch. Und gar nicht so scharf und schroff. Sondern nur müde. Diese Mehrheit möge die ständigen Beschimpfungen, den ganzen Lärm und das Gerede von der Spaltung nicht und habe sich deshalb von der aktuellen Politik abgewandt – „the exhausted majority“. Aber diese Mehrheit sei durchaus gewillt, 2020 wieder einmal über Politik nachzudenken und moderate Kandidaten zu wählen, die dann hoffentlich das tun würden, was in Amerika „reaching across the aisle“ heißt, also: Gräben überbrücken. Damit hinterher alles wieder ein wenig normaler sei könne und auch mal wieder über Baseball statt über Trump geredet werden dürfe (siehe Link unten).

Der tatsächliche Stand der Dinge scheint also, wie meistens im Leben, komplexer zu sein als jene schlichte Geschichte von der Spaltung des Landes. Warum aber wird diese Geschichte dennoch erzählt?

1. Was die Parteien angeht, stimmt die Geschichte von der Spaltung. Die Republikaner sind weit nach rechts gerutscht und nur in ihrem Hass auf alles Liberale wirklich vereint, inzwischen auch wieder in ihrem Hass auf Migranten. Die Demokraten antworten mit Verachtung. Abgestimmt wird nach Parteilinie, verhandelt wird nicht mehr, und der Präsident versöhnt nicht, sondern verschärft dieses Klima.

2. Was die extremen Medien (Breitbart oder Fox News) angeht, stimmt die Geschichte auch. Diese Medien zündeln, und Plattformen wie Facebook haben einen Konstruktionsfehler: Hass funktioniert dort besser als analytische Ausgewogenheit, erreicht mehr Klicks, bringt mehr Geld ein.

3. Auch die moderaten Medien profitieren von der Geschichte über das gespaltene Land. Diese These sorgt für Quoten, bringt Auflage. „Democracy dies in darkness“, mit diesem Slogan wirbt die „Washington Post“.

4. Das amerikanische Wahlsystem verstärkt den Eindruck der Spaltung: Riesige Landstriche werden in den Analysen am Wahltag demokratisch blau oder republikanisch rot gefärbt. Erdrutschartige Verschiebungen wirken aggressiv, geradezu amerikanisch gewalttätig. In Wahrheit aber gilt nur die „winner takes all“-Regel, weshalb eine 51:49-Abstimmung, entschieden womöglich bloß durch wenige Wechselwähler, als 100:0 gewertet wird. Das wiederum hat mit der amerikanischen Sportkultur und der Unterhaltungssucht dieses Landes zu tun: Die USA verachten Unentschieden und Unentschlossenheit, sie lieben das Drama – im Stadion.
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77 Prozent der Amerikaner glauben nicht, dass die Unterschiede unüberwindbar seien. Die erschöpfte Mehrheit müsste nun eigentlich um die Deutungshoheit kämpfen, aber sie ist halt leider erschöpft – und darum sehr viel leiser als die progressiven Aktivisten auf der linken oder die hingebungsvollen Konservativen auf der rechten Seite.

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